Babys signalisieren ihre Bedürfnisse ganz selbstverständlich. Werden sie damit nicht erhört, werden sie das Signal verstärken: lauter werden, schreien, brüllen … Wird auch das nicht gehört, wird ihm statt mit Zuwendung mit Ablehnung begegnet oder mit (physischer) Gewalt, lernen sie, dass etwas mit ihren Bedürfnissen nicht okay sein muss – sonst würden sie sie ja erfüllt bekommen. So beginnen sie, sich für das abzulehnen, was in der Bindungsbeziehung nicht erfüllt wird. Dies ist ein komplexer physiologischer Prozess, den man als »Spaltung« bezeichnet.
Das hat verschiedene Ursachen. Zum einen ist für das Signalisieren Kraft notwendig, Adrenalin und Kortisol werden zusammen mit einer Menge anderer Hormone ausgeschüttet. Dieser Cocktail fühlt sich schon für Erwachsene nicht gut an, für Babys ist es unerträglich. Zum anderen bedroht es das Beziehungserleben: »Wenn ich von dem Menschen, den ich liebe, nicht bekomme, was ich brauche, dann mag der mich womöglich nicht.« Dieses »nicht mögen« klingt für Erwachsene harmlos, für ein Baby ist das lebensbedrohlich, denn vom Gefühl des Gemocht-werdens hängt ab, ob es sich weiterhin sicher fühlt versorgt zu werden.
So ein kleiner Organismus kann so einen Zustand sympathikotonen Erlebens nicht lange aufrechterhalten, bevor es Schaden nähme. Wird er nicht auf gute Weise beruhigt (Körperkontakt, Streicheln, Halten), schaltet er ab und verfällt in Hoffnungslosigkeit und Resignation.
Es bleibt aber nicht bei den Folgen für den Körper und das Nervensystem. Auch die Psyche muss Wege finden, mit dieser unbewältigten (Lebens-)Situation klar zu kommen. Da Babys und Kinder nicht in der Lage sind, den Fehler im Außen zu verorten, werden sie ihn bei sich selbst suchen. Das hat den Vorteil, dass es ihnen die Hoffnung gibt, »Wenn ich mich nur genug anstrenge so zu werden, wie die anderen mich haben wollen, dann bekomme ich die Liebe, die ich so dringend brauche.«
Spaltung Dieses Nomen, »Spaltung« verführt zu der Vorstellung, dass es sich um einen einmaligen Prozess handelt. Wir spalten uns, und dann ist es weg. Als könnte man mit dem Skalpell etwas aus sich herausschneiden. Tatsächlich ist es so, dass wir diese Spaltung ständig aufrechterhalten müssen. Und das ist die gute Nachricht daran. Sobald wir damit aufhören, fällt das Kartenhaus des verzerrten Selbstbildes in sich zusammen.