Wenn wir gelernt haben, dass unsere natürlichen Lebensäußerungen nicht okay sind und wir anfangen, uns für sie zu schämen, müssen wir einen Umgang damit finden, dass sie trotzdem da sind. Ob wir wollen oder nicht, wir haben Bedürfnisse. Nur was damit anfangen, wenn es sich erniedrigend anfühlt, sie zu äußern?
Dafür hat die menschliche Psyche im Laufe der Evolution eine Menge Überlebensstrategien entwickelt. Hier ein paar Beispiele:
– Wir ziehen uns zurück, weil uns Kontakt mit Menschen stresst.
– Wir kümmern uns um andere und holen uns auf diese Weise ein wenig Zuwendung und Dankbarkeit.
– Wir kontrollieren und dominieren andere, um unsere Verletzlichkeit zu schützen.
– Wir weichen aus oder erfinden Ausreden, damit unser klares Nein nicht zu Konflikten führt.
– Oder wir ziehen die serielle Monogamie vor, weil uns wahre Intimität ängstigt.
Aber damit ist es meist nicht getan. Wer sich chronisch von Selbstverständlichem abschneidet, wird irgendwann anfangen, unter dieser Spaltung zu leiden. Wählen wir den Rückzug, so könnte die Einsamkeit irgendwann unerträglich werden. Um das auszuhalten, könnten wir uns dem Glücksspiel zuwenden, Drogen nehmen oder mit Hilfe von Sozialen Medien versuchen, unsere Stimmung aufzuhellen. In wachen Momenten schämt man sich dann für all das und kreidet sich Charakterschwäche an. Die Schamspirale dreht sich weiter.